Mein Vater, der Mistkerl.
Der eiskalte Klotz.
Der meinen beiden Müttern, meinem Bruder und mir mit viel Leidenschaft und sichtlicher Freude das Leben schwer gemacht hat.
Heute ist er schwer dement.
Mein Bruder seilt sich komplett ab.
Ich fahre nur ins Heim, und das auch nur alle paar Wochen, wegen meiner Stiefmutter.
Meine leibliche Mutter hat ihn vor ein paar Jahren einmal besucht und ich bin sicher, das war, um zu gucken, was ihr dadurch dass sie ihn verlassen hat, erspart geblieben ist.
Meine Stiefmutter kümmert sich sehr intensiv um ihn, oberflächlich betrachtet rührend.
Ich weiß es aber besser: sich rächt sich.
Sie hat jetzt die Gelegenheit, ihm seine vielen Gemeinheiten und all die Kälte heimzuzahlen.
Und ich verstehe sie!
Mein Vater war früher ein veritabler Mistkerl.
Bis vor einigen Jahren war er ein bösartiger Halbdementer, der seine Umgebung tyrannisiert hat.
Heute ist er ein Häufchen Elend und vollständig weggetreten.
Ich kann NICHT verstehen, dass meine Mutter an ihm festhält...ach ja doch, sie genießt die späte Rache.
Jetzt kommt Teil zwei:
Dort wohnt neben anderen sehr alten und dementen Menschen ein Mann, der grob in meinem Alter ist. Na ok, zehn Jahre älter.
Der hat seit sehr vielen Jahren MS und kann inzwischen gar nichts mehr.
Er sitzt vor seinem Teller oder Becher und muss lechzen, bis die überlasteten Pfleger Zeit haben, ihm das Essen anzureichen ( korrekte Terminologie ).
Daher mache ich das gelegentlich, wenn meine Mutter dies bei meinem Vater tut.
Dieser Mann ist komplett bei Verstand und kann normal sprechen.
Er ist sehr nett, nicht verbittert, null bösartig.
Ich reiche ihm also das Essen an und wir unterhalten uns oft, wenn meine Mutter gerade was anderes macht.
Wenn das mein Mann wäre, würde ich an ihm festhalten, egal wie lange.
Aber vielleicht hätte ich trotzdem eine neue Beziehung, denn das wäre keine Konkurrenzsituation, das wäre Äpfel mit Birnen verglichen.
Ich denke, ich würde ihn sehr oft besuchen.
Ich würde ihm knapp erzählen, dass ich jemand anderen habe.
Ich würde aber nicht oft von dem Neuen erzählen, oder ihn gar mitbringen, weil ich meinen kranken Mann nicht verletzen wollte.
Kann sein, dass er eifersüchtig wäre, wenn er sich vorstellte, dass ich mit dem anderen Mann schlafe, aber das wäre dann halt so.
Ich würde aber versuchen, ihm weiterhin eine Freundin und Hilfe zu sein, eine Partnerin wäre ich nicht mehr.
Ich fasse es zusammen: ich wäre keine Partnerin mehr, sondern eine Freundin. Ich würde versuchen, meinen Ehemann so wenig wie möglich zu verletzen. Ob dies zur Geltung käme, hinge davon ab, ob mein Mann noch geistig anwesend ist, wie er sich heute benimmt und wie die Beziehung früher war.
w 50