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  • #1

Die Grenze zwischen individueller Wahrnehmung und Realität

Ein, wie ich glaube, typisches Beziehungsproblem: Es gibt ein Ungleichgewicht der – ich nenn es mal Macht – zwischen beiden Partnern: Einer steht in Streits immer als "Schuldiger" da, der andere als "Engel". Einer gibt immer nach, während der andere sich durchsetzt. Nur einer gibt, der andere nimmt. Einer ist stark, der andere schwach. Auf Dauer macht das beide unzufrieden.

Die Frage: wie erkennt man die Grenze zwischen individueller Wahrnehmung und Realität? Ich habe bei Zeit- und Mengenangaben bewusst übertrieben, weil die eigene Wahrnehmung einem das oft so suggeriert. "Immer musst Du bestimmen." Immer bin ich angeblich schuld." "Nie interessierst Du Dich für mich." …
Dass es in der Realität selten die absolute und immer gültige Wahrheit gibt, ist klar, doch wie erkennt man als unmittelbar Beteiligter die Realität, während man doch nur die eigene Wahrnehmung hat, die durch die tatsächlichen Geschehnisse ebenso beeinflusst wird, wie durch verborgene Erwartungen, Erfahrungen, Ängste.

Wie erkennt man, wo man ansetzen muss, um das Problem zu lösen, wenn man selbst in der eigenen Wahrnehmung gefangen ist und befürchten muss, nicht klar zu sehen? Gibt es Anzeichen für falsche verquere Wahrnehmung? Gibt es bekannte Irrwege, die Partner immer wieder gehen und die passenden Auswege dazu? Gibt es Techniken, die einen objektiv und vom eigenen Unterbewusstsein unabhängig denken lassen?

Wie sind Eure Erfahrungen mit diesem Thema?
 
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  • #2
Naja, die Wahrnehmung bestimmt ja die Realität. Wenn du dich ständig als Opfer fühlst und stilisierst, bist du es ja auch irgendwo.
Es passt die Beziehung vielleicht einfach mal nicht. Denn in einer passenden Beziehung würde so eine Frage nicht auftauchen, meine ich. Vielleicht spielt jemand mit dir ein Spielchen und versucht dir nur einzureden, er sei an dir interessiert. Und auch eine "objektiv vorhandene" Liebe nützt ja nichts, wenn sie auf eine so verquere Art gezeigt wird, dass der andere sich gar nicht geliebt fühlt.
 
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  • #3
Liebe/r FS,

die Wahrnehmung beider Partner wird schon der Realität entsprechen. Das eigentliche Problem ist, dass man in Konfliktsituationen dazu tendiert zu verallgemeinern und nicht richtig miteinander kommuniziert. Du schreibst es ja selbst: "IMMER musst du bestimmen" / "IMMER bin ich schuld". NIEMAND bestimmt immer, oder ist IMMER an ALLEM schuld. Das zeigt bereits, dass es mächtig knistert in der Beziehung und viele Dinge ungesagt geblieben sind.
Eine objektive Lösung wäre, die Situation zu analysieren, wenn solche Vorwürfe gemacht werden. Was war der Auslöser zu sagen "IMMER musst du bestimmen"? Und ist das denn wirklich so? Gab es Situationen in denen auch mal der andere "bestimmt" hat? Welche waren das? Und wieso muss einer in einer Beziehung bestimmen? Warum kann man sich nicht absprechen bzw. gemeinsam eine Entscheidung treffen?
Du hast auch die "Verborgenen Erwartungen und Ängste" angesprochen. Warum hältst du diese verborgen und spricht sie nicht aus? Damit kann man vielen Missverständnissen aus dem Weg gehen und sogar Verständnis erzielen. Außerdem, wenn man erwartet wird man meistens auch enttäuscht, aber man darf Bedürfnisse und Wünsche äußern. Tust du das?
Wenn du diese Probleme mit deinem Partner nicht allein lösen kannst, solltet ihr euch professionelle Hilfe suchen oder einschlägige Literatur dazu lesen. Ich kann "Gewaltfreie Kommunikation" empfehlen. Ist eine Art Leitfaden, konfliktgeladene Situation durch hinterfragen und Anteilnahme zu lösen, denn verallgemeinerte Vorwürfe ("immer") sind meist nicht-kommunizierte Wünsche und Bedürfnisse.

Viel Glück
 
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  • #4
Klingt als solltest du mal mit einem Profi deinen alten Muster aufarbeiten. Die verursachen das meiste Chaos in der Wahrnehmung der Realität. Das gilt natürlich auch für den Partner.
w44
 
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  • #5
Ich denke, das in vielerlei Hinsicht es ein sogenanntes Ursache- und Wirkungsprinzip gibt. Auf eine Aktion erfolgt immer eine Reaktion. Und das was "mittendrin" stattfindet ist ausschlaggebend dafür, wie das Gesagte beim Hörer ankommt.

Sehr interessant finde ich die verschiedenen Gesprächsebenen nach Schulz von Thun.

Eine Kommunikation so zu führen, dass sie beiderseits zufriedenstellend ist, ist eine enorme Leistung und Herausforderung und liegt nicht jedem. ABER: Selbst wenn jemand in dieser Hinsicht noch so "geschult" sein sollte; man weiß nie wie es das Gegenüber tatsächlich auffasst- was auch viel mit den charakterlichen Merkmalen eines Menschen zu tun hat. Wenn jemand sehr opportunistisch veranlagt ist, dann kann man die Dinge manchmal drehen und wenden wie man will...; man erreicht diesen Menschen einfach nicht! Mein Ex- Freund war mitunter so veranlagt.

Manchen bleibt dann eben doch nur der Gang zum Paartherapeuten oder die Trennung.
 
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  • #6
auwei, was für eine frage.

es gibt keine realität. jeder kann nur seine subjektive wahrnehmung im subjektiven bereich seiner möglichkeiten analysieren - und das auch nur, wenn er/sie überhaupt will.

das hirn ist grundsätzlich darauf angelegt zu vergleichen. es kann nichts anderes. und als individuum gehts du/dein hirn immer davon aus, dass die von dir aufgrund von vergleich erfolgte einordung der dinge stimmt. man kann gar nicht anders. deshalb ist es ja so stressig, wenn man nun einem individuum begegnet, dass eine andere ansicht hat, insbesondere, wenn man mit ihm/ihr verbandelt ist.... das ist der ursprung von entwicklung, so entsteht kultur, gemeinsinn - auch kollektiver irrsinn...

also: wenn du nach der wahrheit suchst, kannst du dich an die interpretationen von philosophen halten - schon schopenhauer hat ausführlich dargelegt, dass alles eine ursache hat, die wiederume eine ursache hat usf.usf. wo du nun in der kette der dir bekannten ursachen einhakst und dich positionierst, ist i.d.r. von emotionalen dingen abhängig - da geht es beileibe nicht vernünftig zu, und für alles gibt es eine erklärung, rechtfertigung oder bessere alternativen, die meisten davon sind einem nicht bekannt/zugänglich, weil es den horizont übersteigt - irgendwie muss man ja auch ganz praktisch leben.

fazit: wenn du es mit jemanden zu tun hast, der/die die wahrheit gepachtet hat, kannst du das philosophisch betrachten und ihm/ihr seine/ihre wahrheit lassen und ganz entspannt die dinge einfach nehmen wie sie sind. wenn dir das nicht gegeben ist, weil du unter stress kommst, kannst du kommunikationsstrategien lernen und konsequent anwenden, die dann die gesprächskultur verbessern und das wohlbefinden erhöhen. wer recht hat, ist damit natürlich auch nicht geklärt.

ganz viel bringt, die gesprächskultur zu pflegen, das sollten beide wollen, das kann man in paartherapie, man kann systematische zwiegespräche etablieren, du kannst systematisch personen nach deren eindruck zu deinem verhalten fragen, denen du vertraust und die antworten als horizonterweiterung nehmen. es gibt viel literatur dazu. nach dich auf, das ist total spannend

viel glück

w
 
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  • #7
Hallo!
Vielleicht hilft dir, wenn der Satz:IMMER willst du dies oder das...anders beginnt, nämlich:ICH MÖCHTE, das dies oder das geschieht.
In der Regel kann man den anderen nicht ändern, also muß man bei sich selbst beginnen.Vorwürfe helfen niemandem, der andere begreift nur, das er so, wie er ist, nicht angenommen wird und geht automatisch auf Abwehr.Aber wenn du bei dir selbst beginnst, suchst du eine Lösung und keine Konfrontation.Das begreifen sogar schon kleine Kinder.
Du solltest dann natürlich auch begründen können, warum es so und nicht anders laufen soll....
Alles Gute wünscht dir W / 49
 
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