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  • #1

Berufliche Pläne als Neu-Single ändern?

Nachdem mein Freund (44, Professor) mich verlassen hat, zweifle ich (31, Doktorandin, aber an anderer Hochschule als er) auch an meinen beruflichen Zukunftsplänen. Unsere Beziehung schien fest, wir haben zusammengelebt und wollten zusammenbleiben und auch beide weiterhin in der Forschung arbeiten. Da er auf demselben Qualifikationsweg im selben Fach fortgeschrittener war und mehr verdiente, haben wir den Lebensunterhalt anteilig nach dem Einkommen bestritten und fanden das auch beide in Ordnung. Er hat mich also keineswegs ausgehalten.
Als frischgebackener Single steht mir nun aber deutlich vor Augen, dass der so genannte Mittelbau an der deutschen Universität nur auf niedrigem Niveau leben kann - momentan ein viel beschworenes Thema in der Presse - und dass in den nächsten Jahren auch keine Aussicht auf Besserung besteht. Die Verträge sind befristet und Teilzeitbeschäftigung trotz Vollzeitarbeit ist die Regel. Eine Professur anzustreben, würde in meinem Fach bis Ende 30 ein Nettoeinkommen von rund 1100 Euro bedeuten (auch mal mehr, weniger oder gar nichts), ohne dass schlussendlicher Erfolg garantiert wäre, auch bei wirklich guten Leistungen. Zu zweit kann man z.B. eine Durststrecke von einem Semester mit Jobben überbrücken, ohne gleich die Wohnung etc. zu verlieren - aber allein?
Ich überlege derzeit, aus meinem laufenden Vertrag heraus die Suche nach einem Normalarbeitsverhältnis aufzunehmen und, sobald ich fündig werde (WENN man denn fündig wird...), ohne Rücksicht auf Verluste die Dissertation abzubrechen. Andererseits, kann es richtig sein, den Beruf vom Beziehungsstatus abhängig zu machen? Wiederum andererseits, die Alternative ist schon bedrückend... Wie denkt ihr darüber? Ich bin dankbar für Eure Rückmeldungen!
 
  • #2
Wie lange bräuchtest Du denn noch für Deine Dissertation? In welchem Fachbereich bist Du tätig? Wie weit klafft in deinem Bereich das Finanzielle an der Uni und der freien Wirtschaft auseinander?
Ein Titel ist immer gut, auch in der freien Wirtschaft.
Unabhängig davon habe ich nicht den Eindruck, dass Du diese wirtschaftlichen Überlegungen vom Beziehungsstatus abhängig machst, Du machst sie Dir nur wegen der Änderung Deiner privaten Lage bewusst.
 
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  • #3
Liebe FS,
herzlich willkommen in der Realität. Du hast Dein Leben nach einer anderen Person ausgerichtet und wunderst Dich nun über die nackten Tatsachen.
Auch wenn es im Moment finanziell etwas klamm sein sollte, beende Deine Dissertation. Prüfe Deine Einnahmen und Ausgaben und wo Du evtl. etwas optimieren kannst. Ich kenne mich in Deinem Berufszweig nicht aus, aber wenn Du diese Durststrecke überwunden hast, werden sich sicherlich andere Möglichkeiten zeigen.
Es werden immer wieder Situationen kommen in denen Du Deine aktuelle Situation neu überdenken und überarbeiten musst. Deshalb schaffe Dir ausreichende Möglichkeiten und Reserven und gehe zuerst immer davon aus, dass Du nur für Dich selbst verantwortlich bist. Sollte es mal wieder einen Partner geben wie z B. Dein Ex, ist das dann immer eine positive Erleichterung. Es kann dann also nie schlechter, sondern nur noch besser werden. Kopf hoch, klappt schon.
 
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  • #4
Ein Titel ist immer gut, auch in der freien Wirtschaft.

Das sehe ich auch so!

Ich habe (vor 15 Jahren) am Hamburger Beschleuniger im Bereich der Beschleunigerpysik, also nicht der damit erreichbaren Forschungsziele, sondern der dazu erforderlichen Technik, ingenieurswissenschaftlich promoviert.

Nachdem mir damals so ungefähr der fünfte Physiker oder Mathematiker mit rer.nat. erzählt hat (was ich natürlich wußte, aber man kann es nicht oft genug wiederholen), dass ein Dr.Ing eigentlich gar kein richtiger klassicher Hut ist (sondern erst 100 Jahre alt), und deswegen das "I" in "Ing." auch groß geschrieben wird und nicht lateinisch klein, wie bei den "echten" Hüten...

...war mit klar, dass ich, aus Sicht des "echten Forschungsbetriebes", auf ewig nur als promovierter Handwerker bzw. Wasserträger angesehen werde.

Ich habe also nur den Titel mitgenommen und dann stehenden Fußes in die freie Wirtschaft gewechselt. Das war die beste berufliche Entscheidung meines Lebens!

m43
 
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  • #5
Liebe FS

ich habe es ohne Liebe zu einem Prof geschafft, durch Jobben und wissenschaftliche Ambition. Allerdings: das deutsche hochschulische Mittelbausystem ist hochriskante Zeitarbeit ohne Sicherheitsnetze und wir stehen, was die Anschlüsse geht, weit hinter anderen EU-Ländern. In Frankreich hätte ich die staatliche aggrégation. In D. fällst du öfter mal raus und musst dich selbst durchschlagen. Als alleinstehende Frau da bis zur führenden Position durchzukommen ist an der Uni steiniges Gelände. Man steigt vor der Professur nicht in einen unbefristeten Vertrag ein. Alles bleibt ständig "flexibel". Ich habe Angst vor defekten Kühlschränken und Umzügen. Als Wissenschaftlerin im Zeitvertrag hast du bei den meisten Männern als langfristige Partnerin null Aussichten. Viele schreckt das berufliche Nomadentum ab. Die Promotion schadet selten, aber sie garantiert nicht automatisch gute Gehälter. Ich würde richtungsweisende Entscheidungen nicht umwerfen weil der bequemere Rahmen nun entfällt, es sei denn du hast keine Lust zum Promovieren mehr.
 
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  • #6
Ich würde meine Karriere nicht von einer Partnerschaft bestimmen lassen. Aber dein Studienfach scheint eher ein Nischenfach zu sein. Bis Ende 30, d.h. 1100 Euro nach Promotion? Das ist wirklich unterirdisch, selbst an einer Hochschule. Für einen Postdoc sollten 2000Netto drin sein.
Eine Professur anzustreben scheint mir doch wie eine Lotterie. Das schaffen die wenigsten.
Mach dich schlau welche Alternativen dein Fach bietet und ob eine Promotion in deinem Fach von Vorteil ist.
 
  • #7
Ganz ehrlich, mach das was DU möchtest. Möchtest du eine Professur? Dann mach sie!

Meine letzte Trennung gab mir den A***tritt, mein bereits unbeliebten Job zu kündigen und einen neuen zu suchen. Jedoch würde ich dir raten - vorher suchen und finden, dann kündigen. ;)
 
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  • #8
Glaubst du in anderen Bereichen sieht es besser aus ?

Der "Normale Facharbeiter", kann froh sein wenn er heute noch direkt eine Anstellung bei einer Firma bekommt. Meistens bekommt man nur kurz oder längere Einsätze über Zeitarbeit.

Und bevor wieder ein Paar Menschen hier meinen das dieses mit der Bildung im Zusammenhang steht, es sind zwischenzeitlich auch Ingenieure, Mathematiker usw. betroffen.

Ungelernte = 700 € netto
gelernte Fachkräfte = 900 netto
Studierte (beinahe egal welche Richtung) = 1100-1300 € netto
Hier gibt's noch Ausnahmen die aber langsam selten werden.

Daher nimm was du hast, auch von 1100 Euro kann man leben, und Versuche dein Ziel zu erreichen, ansonsten wirst du niemals im Leben mehr die Möglichkeit dazu bekommen.

Wir sind selber daran Schuld "geiz ist geil, so sehen das auch unsere Arbeitgeber".
 
  • #9
Liebe Fs,

Es kommt natürlich darauf an welchen Abschluss Du hast. Es gibt ja nicht wenige Fachrichtungen die sich fast ausschliesslich selbst beschäftigen. In denen man ausserhalb des wissenschaftsbetriebes eine 2%Chance auf einen Job hat.

Dann würd ich mir an Deiner Stelle damit beschäftigen ein Aufbaustudium zu machen dass Dich auch ernährt. Sein Erwerbsleben auf dem Sposoring eines POartners aufzubauen ist sehr gewagt und wie ich finde auch unklug. Trennungen, Arbeitsunfähigkeiten oder der Tod kommen ja vor.

Ich denke es ist an der zeit Dein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Wenn das heisst noch ein paar Jahre zu beissen um dann mit dem Titel den Beruf auszuüben der Dir Freude bringt und Dich auch ernährt dann machs.

Und lass Dich nicht durch [mod.: gelöscht] #7 verwirren

Liebe #7, also ich krieg keinen

Logistiker (Staplerfahrer) unter 2300 Brutto
Facharbeiter unter 3000 Brutto
keinen Naturwissenschaftler unter 5000Brutto

Wenn ich denn überhaupt welche kriegen würde. Diese Beträge gelten für Berufsanfänger, erfahrene Kräfte liegen deutlich drüber. Nur für Ungelernte hab ich keine Zahlen- solche gibt es in meiner Abteilung nicht.

Es ist wie immer, eine Frage von Angebot und Nachfrage. Ja, manche missbrauchen die Zeitarbeit. Das wäre aber eine Firma bei der ich auch als Festangestellter nicht arbeiten wollte. Einfach weils die in Krisen nicht lange machen. Ich kenne da so ein paar Wettbewerber- bzw. kannte, es gibt sie nicht mehr. Du kriegst auch da was Du zahlst. Wer nicht weiss ob er morgen noch Arbeit hat ist nicht sonderlich loyal oder motiviert. Billiger? kurzfristig ja. Billiger kann aber Asien immer billiger
 
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  • #10
Studierte (beinahe egal welche Richtung) = 1100-1300 € netto

Wo gibt es denn so etwas? Ich kenne in meinem Fach niemanden, der mit weniger als knapp 4000 brutto angefangen hat. Von obiger Gehaltsspanne habe ich bisher noch nie von jemanden gehört ( seien es nun Mediziner, Zahnärzte, Apotheker oder Ingenieure). Vielleicht mit Ägyptologie oder Germanistik. Aber wenn man so etwas studiert, dann erwartet man wohl auch keinen Marktwert.
 
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  • #11
Liebe FS,
nein, der MIttelbau hat es nicht leicht. Aber Deinen Verdienst kanntest Du hoffentlich auch schon vor Deiner Trennung. Ich selbst promoviere, habe seit drei Jahren eine halbe Stelle und komme mit dem Geld aus - das musste ich üben, aber es geht wirklich (ich wohne allein).
Wenn Du eine Professur möchtest, dann halte durch. Nach dem Doktortitel sind durchaus auch mal (ganze) Assistenzstellen drin, also mit mehr als 1100 euro. Das dürfte ja wohl bekannt sein.
Was mich wundert, ist die Tatsache, dass Dir die prekäre Lage erst mit der Trennung bewusst wurde. Hast Du nie darüber nachgedacht, was wäre, wenn Du vielleicht mal für ne Stelle umziehen und kurzzeitig alleine wohnen müsstest? Hätte er dann auch mitgezahlt?
Es ist nicht gut, Berufswünsche vom Beziehungsstatus abhängig zu machen. Wenn's nicht reicht, such Dir was Zusätzliches, gibt immer noch n paar hundert euro mehr, und damit dürfte es doch reichen.
Kam Dein Berufswunsch vom Beruf Deines Freundes? Wolltest Du das machen, was er macht? Oder wolltest Du das schon vor ihm?
Alles Gute
w, 31
 
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