Hallo
Ich bin Oliver,22j und seit meinem 17 lebensjahr HIV-Positiv.
Es ist kein Tag vergangen, an dem ich nicht an meine Krankheit gedacht habe. Mindestens einmal am Tag schießt es einem durch den Kopf: Das war doch eigentlich relativ unnötig.Ich wusste damals kaum etwas über Aids. Ich war noch ein Kind. Ich dachte, man sieht das den Leuten an, wenn sie HIV-positiv sind.
Als ich die Diagnose bekam, war ich zunächst wie benommen. Es war so ein taubes Gefühl. Ich weiß noch, dass ich dachte: Dann brauchst du dir in der Schule ja jetzt keine Mühe mehr zu geben. Ich habe damals viel darüber gelesen und mit einem spezialisierten Arzt darüber gesprochen. Es hat sich dann schon bald relativiert. Die Normalität kehrte zurück. Ich hatte auch gar nicht die Zeit, da jetzt endlos drüber nachzugrübeln. Ich war dafür auch einfach noch nicht erwachsen genug.
Ich sage es nicht jedem, lange nicht jedem. In der Klasse meines Berufskollegs zum Beispiel weiß es keiner außer der Lehrerin. Ich habe gemerkt, dass viele Leute auf Distanz gehen, wenn sie es hören. Klar, so allgemein hat niemand etwas gegen HIV-Positive, man weiß ja auch, man kann sich eigentlich nur bei ungeschütztem Sex anstecken. Aber wenn es konkret wird, wenn man ganz direkt mit so einem umgeht, aus denselben Tassen trinkt, dieselbe Toilette benutzt, das ist etwas anderes. Meine eigene ältere Schwester wollte anfangs nicht mehr dasselbe bad mit mir teilen.Meine Familie,die unterstützen mich zum Glück sehr.Sogar meine über 80 Jahre alte Oma aus einem kleinen Ort am Rande des Münsterlandes schneidet mir Zeitungsartikel aus und spendet für die Aidshilfe.
Alle drei Monate gehe ich zur Analyse, dann werden meine Werte gecheckt. Bisher alles bestens. Ich brauche keine Medikamente. Aber die Diagnose ist immer präsent. Wenn ich einen Schnupfen bekomme,frage ich mich, ob ich früher eigentlich auch so oft erkältet war. Wenn meine Wunde nach ein paar Tagen noch nicht völlig verheilt ist, beschleicht mich die Furcht, dies könne ein Vorbote der Krankheit sein. Wann sie letztlich ausbrechen wird, wie lange ich zu leben habe - das weiß niemand.
Während der ersten vier Jahre wollte ich keine anderen HIV-Positiven treffen. Ich hatte Angst, vielleicht Leuten zu begegnen, denen es richtig schlecht geht, und dann zu denken: Kacke, das kann auf dich zukommen.Aber dann bin ich doch mal zu einem "Positiven-Treffen unter 30" gegangen und habe festgestellt: Das hilft einem sehr.Es ist befreiend, mit Menschen zu reden, denen man nicht groß was erklären muss, die gleich wissen, was man meint. Es ist schön, jemanden Witze machen und lachen zu hören, der das Virus schon zwanzig Jahre in sich trägt. Plötzlich spricht man mit wildfremden Leuten über intimste Dinge. Es sind die einzigen Stunden, in denen ich ganz unbefangen das Geheimnis preisgebe, das ich für den Rest meines Lebens werde hüten müssen.
Danke für`s lesen.
STOP AIDS:KEEP THE PROMISE!!!